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Braucht Politik christliche Werte?

Wenn Menschen aus Politik, Kirche und Wissenschaft miteinander ins Gespräch kommen, zeigt sich ein interessantes Spannungsfeld, dass die Gesellschaft abbildet. "Braucht Politik christliche Werte", fragte Moderator Dr. Daniel Mourkojannis in der gut besuchten Nikolaikirche zu Kiel seine Gäste, Landesbischof Gerhard Ulrich, Schleswig-Holsteins Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk sowie Prof. Svend Andersen (Aarhus). 

"Politik braucht keine christlichen Werte sondern christliche Menschen, die ihre Werte nutzen, um die Gesellschaft zu gestalten", stellte Prof. Andersen in seinem Vortrag fest. Menschen, die aus ihren Werten heraus die Gesellschaft mitgestalten wünscht sich auch die Ministerin, allerdings ist das für sie kein Grund, Politik und Religion im Verbund zu betrachten. "Kirche ist Teil der Gesellschaft, und das muss bedacht sein", sagte sie: " Aber ich halte es für eine wichtige Errungenschaft in einem säkularen Staat, dass sich staatliches Handeln nicht auf religiöse Motive stützt und nicht durch sie begründet werden kann." 

Religiosität ist Privatsache

Es sei wichtig, dass es jedem selbst überlassen bleibe, "in der christlichen oder anderen Religionen eine Anleitung für sein Handeln zu finden. Das ist eine ganz individuelle Entscheidung". Daher sei für sie auch der zur Zeit im Abstimmungsprozess befindliche Gottesbezug in der Schleswig-Holsteinischen Verfassung ein Thema mit starkem Diskussionsbedarf, denn trotzdem sie sich von christlichen Werten leiten lasse, könne daraus keine allgemeine Pflicht hergeleitet werden. 

Für Landesbischof Gerhard Ulrich ist die Frage des Gottesbezugs in der Verfassung kein Streitpunkt mit der Kirche, sondern eine rein politische Fragestellung, die dort diskutiert und entschieden werden müsse. Ihm ist es wichtig festzustellen: " ...dass sich die Politik christlichen Werten öffnet und Kirche und Politik miteinander in einem partnerschaftlichen Verhältnis stehen und sich dort auf Augenhöhe begegnen". Die Rolle der christlichen Kirchen im Verhältnis zur Politik zeige sich in dem Spruch: " Der Christ ist ein freier Mensch und Niemandem untertan, aber der Christ ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan". 

Politisches Engagement als Christenpflicht

Prof. Andersen berichtet aus seiner Heimat Dänemark, dass die dortige Staatskirche zwar an die Verfassung gebunden sei, sich aber aus allen politischen Fragestellungen heraushalte - So seien die Kirchen beispielsweise verpflichtet, gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu akzeptieren weil die Gleichstellung Teil der dänischen Verfassung ist, habe aber an dem Entscheidungsprozess nicht mitgewirkt. Er wünsche sich daher durchaus christliche Werte im staatlichen Handeln. "Solidarität ist die politische Dimension der christlichen Nächstenliebe", meint er: "denn sie folgen beide dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Die Aufgabe von Christen sollte also sein, aufgrund ihrer Werte für eine soziale und gerechte Staatsführung einzutreten, nicht aber die staatliche Macht zu nutzen, um eine Religion zu fördern - das widerspreche auch der Lehre Luthers". 

Dem schloss sich Landesbischof Ulrich an und unterstrich, dass sich aus dieser Erkenntnis auch eine Pflicht ergebe, mit Fremdem in den Dialog zu treten und so fundamentalistischen Strömungen vorzubeugen.